In der Primärversorgung von Patienten und Patientinnen sind die Krankheitsbilder in der Regel unklar. Der Arzt oder die Ärztin wird nicht mit einer bestimmten Diagnose, sondern mit Symptomen und klinischen Befunden konfrontiert. Aus den teilweise sehr unterschiedlichen möglichen Diagnosen muss der Arzt bzw. die Ärztin die richtigen diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen ziehen, die durchaus entscheidende Konsequenzen für das Überleben des Patienten oder der Patientin haben können. Hier ist die Reihenfolge und das zeitliche Fenster für die diagnostischen Maßnahmen von Relevanz. Bereits während der Anamnese müssen Hypothesen erstellt werden, die von den prägnantesten Symptomen geleitet sind, gleichzeitig aber die Häufigkeit der verschiedenen Krankheitsbilder berücksichtigen.
Die klinische Untersuchung orientiert sich maßgeblich an der Anamnese, muss aber vollständig genug sein, um auch seltene Krankheitsbilder und mögliche Wissenslücken zu erfassen (alle Auffälligkeiten und Unstimmigkeiten registrieren). Apparative Untersuchungen müssen gezielt eingesetzt werden, zur Bestätigung oder zum Ausschluss einzelner Hypothesen.
Sogar therapeutische Überlegungen müssenwährend des differentialdiagnostischen Prozesses einbezogen werden, insbesondere bei therapeutischen Maßnahmen, die mit geringem Risiko einhergehen möglicherweise aber große Konsequenzen haben (potentiell lebensrettende Maßnahmen). An zwei praktischen Beispielen (akuter thorakaler Schmerz und Fieber unklarer Genese) werden die differentialdiagnostischen Strategien diskutiert.
Darüber hinaus werden die häufigsten Fehler während des differentialdiagnostischen Prozesses dargestellt sowie Strategien, um diese zu vermeiden.