Dissoziative Störungen beschreiben eine Unterbrechung der normalerweise integrativen Funktion des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität oder der Wahrnehmung. Dissoziative Störungen der Bewegung finden sich besonders häufig in neurologischen Fachkliniken, wo sie nach unterschiedlichen Angaben zwischen 2 und 20% der Bewegungsstörungen, meist als psychogener Tremor, ausmachen. Für die oft sehr eindrücklichen Symptome, wie z. B. vollständiges Verstummen, Lähmungen einzelner oder mehrerer Extremitäten oder schwere epileptisch anmutende Krampfanfälle findet sich dabei keine organische Ursache. Die Krankheitsbilder eignen sich daher besonders, um die Bedeutung psychischer Prozesse für körperliche Phänomene und Symptome darzustellen. Eine der über die Medizin hinaus bekannten Fallgeschichten ist dabei die der Anna O. (J. Breuer & S. Freud "Studien über Hysterie"), die für die Entwicklung tiefenpsychologischer Pathogenesemodelle historisch besondere Bedeutung hat. In dem Praktikum sollen videographierte Krankengeschichten von Patient*innen mit dissoziativen Krampfanfällen, psychogener Verstummung und schweren Bewegungsstörungen mit Rollstuhlpflicht vorgestellt werden. Die Studierenden sollen dabei die Bedeutung sexueller und anderer Traumatisierung für die Entwicklung der Symptomatik kennen lernen und mögliche neurologische Mechanismen der Symptomentstehung diskutieren.