Geboren wird die spätere Professorin Ingeborg Rapoport für Neonatologie 1912 als Ingeborg Syllm in der deutschen Kolonie Kamerun. Sie wächst in Hamburg auf, wo sie Medizin studiert und 1937 ihr Staatsexamen ablegt. Dort schreibt sie auch ihre Dissertation – eine experimentelle Arbeit über Diphtherie. Allerdings wird ihr der Dr. med. verweigert, weil ihre Mutter Jüdin war. Im September 1938 emigriert sie kurz vor der Progromnacht in die Vereinigten Staaten. Dort wird ihr Staatsexamen nicht anerkannt, so dass sie zwei weitere Jahre am Women’s Medical College of Pennsylvania in Philadelphia studiert. Sie arbeitet dort in verschiedenen Krankenhäusern, erwirbt den Medical Doctor (MD) und spezialisiert sich auf die Pädiatrie. 1946 heiratet sie den österreichischen Biochemiker und Kinderarzt Samuel Mitja Rapoport, mit dem sie vier Kinder bekommt. Als Mitglieder der Communist Party USA engagieren sie sich für die Bürgerrechte der Afroamerikaner und geraten beide 1950 ins Visier des McCarthy-Untersuchungsausschusses. Die Familie wird rechtzeitig gewarnt und kehrt aufgrund der politischen Verfolgung in den USA nach Europa zurück.
1952 wird Mitja Rapoport die Leitung des Instituts für Physiologische und Biologische Chemie der Humboldt-Universität angeboten und die Familie findet in der Hauptstadt der DDR eine neue Heimat. Ingeborg Rapoport arbeitet zunächst als Ärztin, später wissenschaftlich als Aspirantin und kann sich 1959 auf der Grundlage ihrer Forschungen habilitieren. Ab 1958 ist sie an der Kinderklinik der Charité tätig und leitet die Säuglings- und Frühgeborenenstation, aus der sie allmählich eine Abteilung für Neugeborenenheilkunde entwickelt. Ab 1964 erhält sie zunächst die Professur für Pädiatrie und 1969 dann den europaweit ersten Lehrstuhl für Neonatologie.
Mit der Umstrukturierung der Charité-Frauenklinik 1970 zu einer Art Perinatalzentrum werden der Lehrstuhl und die neugegründete Abteilung Neonatologie integriert. Bis zu ihrer Emeritierung 1973 entwickelt Prof. Rapoport ihre Abteilung inhaltlich und strukturell mit dem Neuaufbau einer Station für Neugeborenen-Intensivtherapie und einer Forschungsabteilung (Schwerpunkte Hypoxie, Bilirubin, Surfactant) weiter. Damit gehören auch die Forschungen in der Neonatologie und der Pädiatrie zu ihren Verdiensten. Nach der Emeritierung ist Prof. Rapoport weiterhin wissenschaftlich tätig und engagiert sich in der Nachwuchsförderung.
Im Mai 2015 verteidigt sie vor drei Professoren der Universität Hamburg erfolgreich ihre Doktorarbeit von 1938 und bekommt 77 Jahre nach dem Verbot durch die Nationalsozialisten in einer feierlichen Zeremonie ihre Promotionsurkunde überreicht. Mit ihren damals 102 Jahren ist sie der bislang älteste Mensch, der jemals ein Promotionsverfahren abgeschlossen hat.
Quelle: https://www.charite.de/klinikum/themen_klinikum/prof_dr_ingeborg_rapoport/
Foto: Prof. Dr. Ingeborg Rapoport; © Bildarchiv des Instituts für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin